Erbeinsetzung in gemeinschaftlichem Testament kann lebzeitige Schenkungen einschränken – Probleme des Berliner Testaments

Verschenkt der überlebende Ehegatte das Erbe eines in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben an einen Dritten, so kann dieser nach dem Tod des überlebenden Ehegatten zur Herausgabe des Erlangten – vorliegend 250.000,- Euro – verpflichtet sein.

In dem entschiedenen Fall war der Kläger Erbe seines 2014 verstorbenen Vaters. Dieser und die im Jahr 2005 verstorbene Mutter des Klägers hatten den Kläger 1961 in einem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben eingesetzt. Nach dem Tod der Mutter lernte der Vater die Beklagte kennen, mit welcher er ab 2010 in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebte.

Auf Wunsch des Vaters vereinbarte der Kläger mit der Beklagten ein lebenslanges Wohnrecht an einer im Eigentum des Klägers stehenden Wohnung unter der Bedingung, dass die Beklagte den Vater bis zu dessen Tod oder bis zu einer Heimaufnahme pflege und in Bezug auf das von ihr und dem Vater bewohnte Haus keine Besitzansprüche stelle.

In der Folgezeit übertrug der Vater der Klägerin jedoch diverse Vermögensgegenstände (u.a. Fondsbeteiligungen, Schuldverschreibungen, Genussrechte, Lebensversicherungen) im Wert von ca. 222.000 Euro. Hieraus erhielt sie Dividenden in Höhe von ca. 23.500 Euro.

Darüber hinaus erhielt die Beklagte Zugang zum Konto des Vaters, wodurch weitere 50.000 Euro in Bargeld an die Beklagte flossen.

Nach dem Tod seines Vaters verlangte der Kläger nunmehr die Herausgabe der genannten Vermögenswerte nach § 2287 Abs. 1 BGB und meinte, die Zuwendungen seien als Erbteil beeinträchtigende Schenkungen rückabzuwickeln.

Die Beklagte argumentierte, dass der Vater die Schenkungen als Dank für die Pflege vollzogen habe, eine Benachteiligungsabsicht habe nicht bestanden.

Dem folgte das OLG Hamm jedoch nicht. Der Erblasser habe mit Benachteiligungsabsicht gehandelt. Nach dem Schutzzweck des Gesetzes seien an das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht nur geringe Anforderungen zu stellen. Die Beeinträchtigung des Vertragserben müsse nicht das einzige oder leitende Motiv für die Schenkung gewesen sein. Es genüge vielmehr, dass der Erblasser wisse, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälert.

Eine Abwägung der beteiligten Interessen unter dem Gesichtspunkt, ob der Erblasser ein anerkennenswertes lebzeitiges Interesse an der Zuwendung habe, ergäbe nichts anderes.

Dies könne zwar vorliegen, wenn der Erblasser mit der Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege sichern wolle, dies sei aber in dem entschiedenen Fall nicht einschlägig.

Insgesamt habe die Beklagte Schenkungen in Höhe von 250.000,- € erhalten, welche das Erbe weitestgehend wertlos gemacht hätten. Dem stünden behauptete Pflege- und Haushaltsleistungen in einem Zeitraum von 4 Jahren gegenüber, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte in dieser Zeit in vollem Umfang frei Kost und Logis vom Erblasser erhalten habe und mit diesem auf dessen Kosten verreist sei.

Insgesamt seien die Schenkungen von 250.000,- € vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen.

Die Beklagte musste die gesamten Zuwendungen an den Kläger herausgeben.

OLG Hamm, Urteil vom 12.09.2017 – 10 U 75/16

 

An dem ausgeurteilten Fall zeigt sich deutlich die Problematik der gegenseitigen Einsetzung, sog. Berliner Testament.

Ist ein Ehegatte verstorben, geht in der Regel von dem gemeinsamen Testament eine Bindungswirkung nebst Testiersperre für weitere erbrechtliche Verfügungen aus. Das Testament lässt sich nicht mehr einseitig ändern. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Nacherben, in der Regel Kinder, weiterhin Erben bleiben.

Allerdings ist der überlebende Ehegatte hierdurch nicht mehr frei in Bezug auf die Regelung seiner eigenen Erbfolge. Neue Lebensumstände des überlebenden Ehegatten werden zumeist nicht berücksichtigt.

Darüber hinaus führt die Erbfolgenregelung steuerrechtlich dazu, dass im ersten Erbfall nur der überlebende Ehepartner seinen Freibetrag von der Erbschaftssteuer nutzen kann. Der Freibetrag eines Kindes in Höhe von 400.000,- Euro verfällt ungenutzt, da das Kind im ersten Erbfall ja von der Erbfolge ausgeschlossen ist.

Gerade bei höherem Vermögen ist es ratsam, sich vor der Testamentserstellung Rat von Fachpersonen einzuholen, um spätere Streitigkeiten der Erben untereinander sowie mit dem Finanzamt zu vermeiden.

 

Aachen, im November 2017

 

Matthias Draheim

Rechtsanwalt